Die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Verpackungen. Während viele Online-Händler schon mit EPR-Pflichten für Verpackungen vertraut sind, rücken jetzt auch andere Produktkategorien in den Fokus der europäischen Gesetzgebung. Eine davon: Möbel und Matratzen.
Aber welche Regelungen gelten zwecks EPR für Möbel und Matratzen in Europa? Aktuell gibt es erst in drei europäischen Ländern Regelungen für diese Produkte. Die Tendenz ist aber steigend. Was das für Ihr Unternehmen bedeutet und welche Schritte Sie jetzt gehen sollten, erklären wir in diesem Artikel.
Inhalt:
- Einführung: Warum EPR auch Möbel und Matratzen betrifft
- Wo gibt es EPR-Pflichten für Möbel und Matratzen?
- Was genau ist zu tun, um EPR-konform zu sein?
- Sonderfall: WEEE für Möbel mit elektronischen Komponenten
- Was passiert, wenn man nicht compliant ist?
- Fazit: Überblick behalten und rechtzeitig handeln
- FAQ: Die häufigsten Fragen zur EPR für Möbel und Matratzen in Europa
Einführung: Warum EPR auch Möbel und Matratzen betrifft
Was ist EPR eigentlich?
Extended Producer Responsibility, auf Deutsch „Erweiterte Herstellerverantwortung“, folgt einem einfachen Prinzip: Wer Produkte in Verkehr bringt, trägt auch die Verantwortung für deren gesamten Lebenszyklus, also bis hin zur Entsorgung und Recycling. Das bedeutet konkret: Hersteller müssen sich an den Kosten für die Sammlung, Sortierung und Wiederverwertung ihrer Produkte beteiligen.
Warum fallen Möbel und Matratzen unter EPR?
Die Zahlen sprechen für sich: In Europa fallen jährlich Millionen Tonnen von Möbel- und Matratzenabfällen an. Viele dieser Produkte landen noch immer auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen, obwohl viele der verwendeten Materialien – von Holz über Metall bis hin zu Textilien – durchaus recycelbar wären (Quelle: European Environmental Bureau).
Einige EU-Mitgliedstaaten setzen daher auf EPR-Systeme für Möbel und Matratzen, um:
- Recyclingquoten zu erhöhen
- Deponieabfälle zu reduzieren
- Die Kreislaufwirtschaft zu fördern
- Hersteller zu nachhaltigeren Produktdesigns zu motivieren
Wer ist von der EPR für Möbel und Matratzen betroffen?
Die EPR-Pflichten treffen alle Akteure, die als erste Möbel oder Matratzen auf die nationalen Märkte in Belgien, Frankreich oder Ungarn bringen. Das umfasst:
- Hersteller mit Sitz im jeweiligen Land oder den betroffenen Ländern als Zielmärkten
- Importeure, die Möbel oder Matratzen aus dem EU-Ausland einführen
- Online-Händler, die direkt an Endverbraucher verkaufen
- Marktplatz-Seller, die über Plattformen wie Amazon verkaufen
- Teilweise auch B2B-Händler, die an Gewerbetreibende liefern
Wichtig: Auch der Fernabsatz ist betroffen. Verkaufen Sie als deutsches Unternehmen beispielsweise Matratzen online an belgische Privatkunden, entstehen EPR-Pflichten in Belgien.

Wo gibt es EPR-Pflichten für Möbel und Matratzen?
Frankreich: Vorreiter bei der Möbel-EPR
Frankreich war das erste europäische Land, das eine umfassende EPR für Möbel eingeführt hat. Alle Möbelhändler müssen sich bei der Organisation ecomaison registrieren.
Betroffene Produkte in Frankreich:
- Alle Arten von Möbeln (Sitzmöbel, Tische, Schränke, Betten)
- Matratzen und Matratzenauflagen
- Bettwäsche und Kissen
- Gartenmöbel
- Dekorative Textilien
Die wichtigsten Pflichten:
- Registrierung bei ecomaison
- Quartalsweise Mengenmeldung, alternativ jährliche Meldung bei weniger als 15 Tonnen Verkaufsmenge pro Jahr (Kleinproduzentenregelung)
- Zahlung von EPR-Gebühren (zwischen 0,60€ und 330€ pro 10er-Charge, je nach Produktkategorie)
- Kennzeichnungspflicht: Alle Produkte müssen mit dem Triman-Logo und Sortierhinweisen gekennzeichnet werden
- Eco-Design Plan: Nach Registrierung bei ecomaison muss ein Fünfjahresplan zur Abfallvermeidung und nachhaltigen Gestaltung vorgelegt werden, oder es muss einem Branchenplan beigetreten werden
Besonderheit für Online-Händler: Wer in Frankreich verkaufen möchte, muss seine EPR-Nummer (IDU) bei Marktplätzen wie Amazon hinterlegen. Außerdem müssen die Recyclinggebühren („eco-participation-fee“) transparent auf der Website und auf allen Rechnungen für Kund*innen ausgewiesen werden.
Ungarn: Neue EPR-Regelungen für Holzmöbel seit 2023
Ungarn hat sein EPR-System komplett überarbeitet. Seit 2023 umfasst es auch Holzmöbel. Wie in Frankreich greifen bereits ab dem ersten verkauften Möbelstück EPR-Pflichten.
Die wichtigsten Pflichten in Ungarn:
- Bevollmächtigter Vertreter: Ausländische Unternehmen müssen einen ungarischen Vertreter benennen. Das ist i.d.R. ein Unternehmen, das in Ungarn sitzt und folgende Pflichten übernimmt:
- Anmeldung bei der Umweltbehörde
- Vertragsabschluss mit dem lokalen Rücknahmesystem
- Quartalsweise Mengenmeldungen
- Zahlung von EPR-Gebühren: 17 Forint (entspricht etwa 0,042€) pro Kilogramm Holzmöbel
Im Video: So finden Sie einen Bevollmächtigten für die Erweiterte Herstellerverantwortung

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Belgien: Matratzen-EPR seit 2021
Belgien hat eine separate EPR für Matratzen eingeführt. Seit dem 1. Januar 2021 ist ein nationales EPR-System für Matratzen aktiv. Alle, die erstmals Matratzen auf den belgischen Markt bringen, müssen sich registrieren.
Die wichtigsten Pflichten in Belgien:
- Registrierung beim EPR-System für Matratzen (keine Mindestmenge → ab der ersten Matratze)
- Jährliche Mengenmeldung
- Zahlung von EPR-Gebühren: in 2025 4,25€ (Kindermatratzen), 8,50€ (≤120cm), 17,00€ (>120cm) – jeweils inkl. MwSt.
- Wer seit 2021 Matratzen in Belgien verkauft hat, aber sich erst später anmeldet, wird rückwirkend registriert und zahlt ab dem ersten Verkauf, der nach dem 1.1.2021 stattfand
- Informationspflicht: Händler müssen in Verkaufsstellen, online wie offline, auf die Rücknahmepflicht hinweisen
Besonderheiten:
- Wer separat Matratzenbezüge oder -kerne verkauft – also nicht ganze Matratzen, sondern ihre Bestandteile – ist nicht EPR-pflichtig
- Bei Sofabetten kommt es darauf an, ob die Matratze separat entnehmbar ist → Wenn sie dies nicht ist, gilt sie auch nicht als Matratze
- Hersteller haben Anspruch auf eine Entschädigung von 600 €/Tonne für ausrangierte Matratzen, die sie bei Ihren Kunden abholen. Allerdings entfällt hier der Entschädigungsanspruch der Kund*innen
Sie sind Online-Händler und brauchen Unterstützung bei der EPR für Möbel und Matratzen in Europa? Mit unserem Beratungsservice bieten wir detaillierte Anleitungen dazu, was genau Sie in welchem Land machen müssen, um compliant zu sein.
Ausblick: Weitere Länder in Planung
Auch andere europäische Länder bereiten sich darauf vor, EPR für Möbel und Matratzen einzuführen. Ein Beispiel ist Portugal, das mit dem Gesetzesdekret Nr. 24/2024, Artikel 87 bereits konkrete Pläne vorgelegt hat: Ab Ende 2025 sollen Hersteller dafür sorgen, dass Möbel und Matratzen nach der Nutzung gesammelt und umweltgerecht entsorgt werden. Ab 2026 müssen Hersteller mindestens 25% der in Verkehr gebrachten Produkte und Abfälle zurücknehmen. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 40% steigen.
Was genau ist zu tun, um EPR-konform zu sein?
Schritt 1: Registrierung bei der zuständigen Organisation
Je nach Land müssen Sie sich bei unterschiedlichen Organisationen registrieren:
- Frankreich: ecomaison
- Ungarn: Bevollmächtigter Vertreter übernimmt Registrierung bei Umweltbehörde + Rücknahmesystem
- Belgien: Nationales EPR-System für Matratzen
Die Registrierung muss erfolgen, bevor Sie die ersten Produkte in dem jeweiligen Land verkaufen. Eine nachträgliche Registrierung ist zwar meist möglich, führt aber oft zu rückwirkenden Gebührenforderungen.
Schritt 2: Mengenmeldungen und Datenmanagement
- Frankreich: Je nach Absatzmenge: >15 Tonnen = Quartalsweise Meldung, <15 Tonnen = Jährliche Meldung
- Ungarn: Quartalsweise Meldungen
- Belgien: Jährliche Meldung
Wichtig: Sie müssen präzise Daten über verkaufte Mengen, Produktkategorien und teilweise auch Materialzusammensetzungen vorlegen. Ein strukturiertes Datenmanagement ist daher unerlässlich.
Schritt 3: EPR-Gebühren kalkulieren und zahlen
Die Gebührenstrukturen unterscheiden sich erheblich:
- Frankreich: Gestaffelt nach Produktkategorie (0,50€ bis 330€ pro 10er-Charge)
- Ungarn: 17 Forint (etwa 0,042€) pro Kilogramm Holzmöbel
- Belgien: Pauschale pro Matratze (4,25€ bis 17,00€)
Diese Kosten müssen Sie in Ihre Kalkulation einbeziehen und dürfen sie in der Regel an die Endkund*innen weiterreichen. Nach Erhalt der Rechnung vom jeweiligen System (oder Compliance-Beauftragten) begleichen Sie ihre Schulden. Voilà – Sie haben Ihre EPR-Pflicht erfolgreich erfüllt.
Achtung: Kennzeichnungspflichten und Kundeninformation nicht vergessen!
- Frankreich: Triman-Logo mit Sortierhinweisen auf Produkt, Verpackung oder Begleitdokumenten
- Belgien: Informationspflicht über Rücknahmemöglichkeiten in Verkaufsstellen und Online-Shops
- Ungarn: Bisher keine speziellen Kennzeichnungspflichten für Möbel und Matratzen
Sonderfall: WEEE für Möbel mit elektronischen Komponenten
Eine besondere Herausforderung stellen Möbel mit elektronischen Bauteilen dar. Diese fallen möglicherweise unter eine Doppelpflicht: sowohl unter die EPR für Möbel als auch unter die WEEE-Richtlinie (Elektro- und Elektronikgeräte-Gesetz).
Wann greifen beide Regelungen?
WEEE für Möbel greift etwa bei diesen typischen Beispielen:
- Höhenverstellbare Tische mit Elektromotor
- Leuchtmöbel mit integrierten LED-Systemen
- Massagesessel mit elektronischen Komponenten
- Smart-Home-Möbel und Smart-Matratzen mit Bluetooth oder WLAN
- Kühlmöbel für die Gastronomie
Was bedeutet das für Online-Händler?
Bei solchen Produkten müssen Sie sich in Frankreich und Belgien unter Umständen sowohl für die Möbel-EPR als auch für WEEE registrieren.
Die Gebühren fallen entsprechend doppelt an, und Sie müssen beide Berichtspflichten erfüllen. Unsere Empfehlung: Prüfen Sie bereits bei der Produktauswahl, ob eine Doppelpflicht besteht, und kalkulieren Sie die zusätzlichen Compliance-Kosten ein.

Was passiert, wenn man nicht compliant ist?
Behördliche Sanktionen
Bei Nichteinhaltung der EPR-Pflichten kann es unter Umständen zu Strafen kommen:
Frankreich: Unternehmen zahlen bis zu 7.500 € pro Tonne oder Einheit sowie tägliche Zwangsgelder von insgesamt bis zu 20.000 €, bis die Vorschriften erfüllt sind.
Ungarn: Bei verspäteter oder fehlender Mengenmeldung fällt ein Zuschlag in Höhe von 50 % der EPR-Gebühr an. Für verspätete Zahlungen wird der Basiszinssatz der Zentralbank zuzüglich 8 % Verzugszinsen berechnet.
Belgien: Das EPR-System meldet Unternehmen, die nicht compliant sind, an die Regionalbehörden, die dann Bußgelder verhängen können.
Plattform-Risiko bei Online-Marktplätzen
Besonders kritisch für Online-Händler: Amazon, eBay und andere Marktplätze verlangen zunehmend Nachweise über EPR-Compliance. Können Sie die entsprechenden Registrierungsnummern nicht vorweisen, droht die:
- Sperrung der Produktangebote
- Einbehaltung von Umsätzen
- Komplette Account-Suspendierung
Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen
Auch Konkurrenten können EPR-Verstöße für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen nutzen. Händler, die nicht compliant sind, verschaffen sich nämlich einen unfairen Kostenvorteil, da sie die EPR-Gebühren nicht zahlen.
Keine Lust mehr auf aufwändige Compliance-Prozesse?
Lehnen Sie sich zurück und machen Sie sich keine Sorgen mehr um Ihre EPR-Compliance: Mit unserem Premium EPR-Service übernehmen wir alle Registrierungen und Mengenmeldungen für Sie und sorgen dafür, dass Sie gesetzeskonform handeln. Ganz auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt, in einzelnen Ländern oder europaweit. Fragen Sie jetzt kostenlos an:
Fazit: Überblick behalten und rechtzeitig handeln
Die EPR für Möbel und Matratzen in Europa ist kein Zukunftsszenario mehr. In drei Ländern wird sie schon umgesetzt und es ist zu erwarten, dass sie sich weiter ausbreiten wird. Für Online-Händler bedeutet das:
Was heute nur in Frankreich, Ungarn und Belgien gilt, kann zukünftig EU-weit Standard sein. Die Europäische Kommission arbeitet an einer Harmonisierung der EPR-Systeme, was langfristig zu einheitlicheren Regelungen führen könnte. Auch weitere Produktkategorien, wie etwa Textilien, stehen auf der Agenda verschiedener EU-Länder.
Compliance wird zum Wettbewerbsfaktor
Unternehmen, die frühzeitig EPR-compliant werden, verschaffen sich Vorteile:
- Keine Risiken bei Marktplatz-Kontrollen
- Planbare Kosten statt nachträgliche Strafzahlungen
- Saubere Marktpositionierung gegenüber Kund*innen und Konkurrenten
ecosistant als Partner für einfache EPR-Compliance
Die Komplexität der verschiedenen nationalen EPR-Systeme macht es schwierig, als Händler den Überblick zu behalten. ecosistant unterstützt Sie dabei, EPR-compliant zu werden und zu bleiben. Von der Erstregistrierung bis zur laufenden Mengenmeldung.
Wir übernehmen für Sie:
- WEEE-Registrierungen in allen relevanten EPR-Systemen
- Laufende Mengenmeldungen und Datenmanagement
- Beratung bei produktspezifischen Fragen
- Monitoring neuer EPR-Entwicklungen in Europa
- Unterstützung auch bei EPR für Verpackungen und Textilien
Sie verkaufen Möbel oder Matratzen in Europa? Kontaktieren Sie uns mit Ihren Fragen.
FAQ: Die häufigsten Fragen zur EPR für Möbel und Matratzen in Europa
Ja, es ist aktuell keine einzelne EU-weite EPR-Registrierung geplant. Sie müssen sich in jedem Land einzeln bei der zuständigen Organisation anmelden.
Das ist EU-weit unterschiedlich: In Belgien, Ungarn und Frankreich gilt sie aber jeweils ab dem ersten Produkt. Entscheidend ist, dass Sie als „Inverkehrbringer“ gelten.
Ja, in der Regel können und sollen EPR-Gebühren an die Endkund*innen weitergegeben werden. In Frankreich müssen sie sogar separat als „eco-participation-fee“ im Online-Shop und auf der Rechnung ausgewiesen werden.
Verkaufen Sie aus Deutschland heraus an französische Kunden, müssen Sie sich in Frankreich für EPR-registrieren lassen. Der Ort des Verkaufs ist entscheidend, nicht der Firmensitz.
EPR-Pflichten gelten teilweise auch beim Verkauf an Gewerbetreibende. Dies ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt z.B. von den Instanzen und Rollen in der Lieferkette ab. Der Verkauf zur Weiterveräußerung ist meist ausgenommen.
Das variiert je Land: Frankreich quartalsweise oder jährlich (je nachdem, ob Sie über oder unter 15 Tonnen pro Jahr verkaufen), Ungarn quartalsweise, Belgien jährlich. Die Meldefristen sind strikt einzuhalten.
In Ungarn ja, in Frankreich und Belgien können Sie sich auch direkt selbst registrieren. Wenn sie in verschiedene Länder verkaufen und ein größeres Produktportfolio haben, empfehlen wir jedoch die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Compliance-Partner.
In Portugal sind Hersteller von Möbeln und Matratzen laut Gesetzesdekret Nr. 24/2024, Artikel 87 ab Ende 2025 dafür verantwortlich, Altprodukte zurückzunehmen und umweltgerecht zu entsorgen. Ab 2026 sollen sie mindestens 25 % der von ihnen verkauften Möbel und Matratzen wieder zurücknehmen, bis 2030 40 %.
Haben Sie Fragen zur EPR-Compliance für Möbel und Matratzen? Kontaktieren Sie unsere EPR-Expert*innen für eine individuelle Beratung. Wir helfen Ihnen dabei, alle erforderlichen Schritte rechtzeitig und kosteneffizient umzusetzen.