Die Details sind geklärt, die Umsetzung startet: Mit ihrem Vorschlag für die neuen Green Claims Verordnung gegen irreführende Öko-Werbung, Fake-Siegel und falsche Nachhaltigkeits-Versprechen löst die Europäische Kommission dramatische Veränderungen im gesamten EU-Markt aus. Wer künftig die ökologischen Vorzüge seines Produkts bewerben will, muss das belegen. Selfmade-Siegel („Rezeptur ohne Mikroplastik“) oder nicht nachvollziehbare Slogans („klimaleicht“, „umweltgerecht“) gehören damit der Vergangenheit an. Diese Richtlinie ist ein Meilenstein.

Meine Prognose: Die Zahl der als vermeintlich umweltfreundlich gelabelten Produkte, die uns täglich beim Einkauf begegnen, wird sich spürbar reduzieren.

Wildwuchs bei Öko-Versprechen: rund drei Viertel aller Produkte gelabelt

Mit dem steigenden Bewusstsein für die ökologischen Auswirkungen des eigenen Konsums explodierte in den vergangenen Jahren auch die Zahl der umweltbezogenen Aussagen auf Produkten. Besonders sichtbar ist das in Drogeriemärkten, wo kaum ein Kosmetik-, Hygiene- oder Reinigungsartikel ohne den Hinweis auf angeblich ökologische Vorzüge auskommt. Branchenübergreifend tragen 75 Prozent aller Waren auf dem EU-Markt eine umweltfreundliche Behauptung, berichtet das Fachmagazin „Sustainable Plastics“. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission zählte rund 230 unterschiedliche Umweltzeichen. Außerdem wurden die getätigten Öko-Versprechen untersucht: Mehr als die Hälfte stellten sich als „vage, irreführend oder unbegründet“ heraus. 40 Prozent waren sogar „völlig unbegründet“.

Ich würde es klarer formulieren: Da verstecken sich glatte Öko-Lügen.

Verwendung von Fake- und Selfmade-Siegeln ist künftig verboten

Angedockt werden die neuen Regeln an die Richtlinie 2005/29/EG , in der unlautere Geschäftspraktiken gelistet werden. Diese Praktiken werden nun um vier Punkte erweitert: 

1 Verbot von Fake- und Selfmade-Siegeln.

Willkürliche Umweltzeichen, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von öffentlichen Behörden eingeführt wurden, dürfen künftig nicht mehr genutzt werden. Welche Siegel und Umweltzeichen künftig zugelassen sind, lesen Sie hier in den wichtigsten Fragen und Antworten zu der neuen Richtlinie. Übrigens: flustix prüft bereits seit 2018 auf Grundlage eines unabhängigen Zertifizierungsprogramms und ist europaweit als Unionsgewährleistungsmarken registriert und anerkannt.

Mehr dazu im Blogbeitrag von Flustix – „Welche Siegel sind künftig noch erlaubt“

2 „Grün“ und „umweltgerecht“ sind keine gültigen Aussagen

Die zweite Praktik, die künftig als unlauter gilt, ist die Nutzung von allgemeinen Umweltaussagen, ohne dafür eine Leistung zugunsten von Umwelt oder Klima zu erbringen. Beispiele für allgemeine umweltbezogene Angaben sind „umweltfreundlich“, „grün“, „Freund der Natur“, „ökologisch“ oder „umweltgerecht“. Nur wenn der Umweltnutzen über den gesamten Lebenszyklus und die komplette Wertschöpfungskette nachweisbar ist, darf damit auch geworben werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte dazu:  „Werbung mit ‚klimaneutral‘, ‚klimapositiv‘, ‚grün‘ oder ähnlichen Begriffen ist häufig irreführend und eine Täuschung der Verbraucher*innen. Es ist gut, dass die Europäische Kommission nun eine Regulierung für den Europäischen Binnenmarkt auf den Weg gebracht hat: Mit der so genannten ‚Green Claims Initiative‘ soll es künftig verbindliche methodische Anforderungen für die Verwendung von Aussagen mit Umweltbezug geben. Die heute vorgestellte Initiative ist ein weiterer Baustein, um Klarheit bei den vielen Labeln zu schaffen. Wir werden die Interessen von Verbraucher*innen in den Prozess einbringen. Wichtig ist, dass Aussagen verlässlich sind und dass wissenschaftliche Methoden die Grundlage bilden.“

Für den Nachweis von Rezyklaten und für die Recyclingfähigkeit von Produkten bietet flustix europaweit verlässliche gültige Siegel auf Basis von wissenschaftlichen Grundlagen an. Die Prüfung erfolgt durch unabhängige Partner (u.a. DIN CERTCO). Hier gibt es mehr Infos zu den flustix-Siegeln.

3 Nur weil die Verpackung recycelt ist, ist das Produkt nicht gleich öko

Die dritte unlautere Machenschaft: Eine Umweltaussage über das gesamte Produkt zu machen, obwohl sie nur einen bestimmten Aspekt des Produkts betrifft. Beispiel: Toilettenpapier. Auf der Packung steht groß „Recycelt“, das aber bezieht sich auf die Kunststoffverpackung, die einen Anteil an Rezyklaten enthält. Das WC-Papier selbst ist aus frischen Fasern und ordentlich weiß gechlort. Öko ist daran gar nichts. Auch ein gängiges Praxisbeispiel: Die Verpackung wird als recycelt angepriesen, dabei besteht nur der Deckel aus Rezyklaten.

4 Standards als Besonderheiten verkaufen

Verbot Nummer 4: Gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards dürfen nicht als herausragende Umweltleistung auf dem Produkt beworben werden, um damit den Eindruck von engagiertem Umweltschutz zu erwecken.

flustix zertifiziert die Recyclingfähigkeit über den staatlich vorgegebenen Mindeststandard hinaus und/oder die Rezyklat-Anteile und setzt dafür ein lizenziertes Siegel ein. Hier geht es zu den Siegeln.

Auch das Verpackungs-Design darf nicht in die Irre führen

Die Details der Verordnung haben es in sich: Sogar das Verwenden von suggestiven Bildern, die nichts mit der Realität zu tun haben, ist künftig nicht mehr erlaubt. In der Richtlinie heißt es dazu: „Bildsprache und Gesamtpräsentation des Produkts, einschließlich des Layouts, der Wahl der Farben, Bilder, Abbildungen, Töne, Symbole oder Etiketten, die in der umweltbezogenen Angabe enthalten sind, sollten das Ausmaß des erzielten Umweltnutzens wahrheitsgetreu und genau darstellen und den erzielten Umweltnutzen nicht überbewerten.“

Beispiel: Auf der Milchpackung sieht man eine Kuh auf einer grünen Wiese, die Milch stammt aber aus Stall- oder Anbindehaltung.

Ein Gesichtspunkt also, den nachhaltige Brands beim Design ihrer Verpackung  künftig beachten müssen.

FAQ zur EU Green Claims Verordnung

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Um Greenwashing zu verhindern, das sich heute oft auf Verpackungen und in der Werbung versteckt, schlägt die Europäische Kommission gemeinsame Kriterien gegen irreführende Umweltaussagen vor. Verbraucher*innen sollen dadurch sicher sein können, dass Produkte, die als umweltfreundlich beworben werden, tatsächlich umweltfreundlich sind.

Nationale Prüfungsstellen werden alle vorhandenen Zertifizierungssysteme nach einheitlicher Methodik prüfen und bewerten. Wird eine Konformitätsbescheinigung ausstellt, ist diese in der gesamten EU anerkannt. Die Europäische Kommission rechnet mit etwa 100 verbleibenden Umweltkennzeichnungen in der gesamten EU.

In der freien Wirtschaft: Ja, aber nur, wenn diese a) von vorn hinein alle Anforderungen der Richtlinie erfüllen und b) zusätzlich einen besonderen Nutzen ausweisen. Nationale und regionale Kennzeichen dürfen nicht neu eingeführt werden. Nur die EU darf nach Bedarf weitere Umweltsiegel kreieren.

Ein Umweltzeichen muss auf einem Zertifizierungssystem beruhen. Die Bewertung muss auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem neuesten Stand der Technik erfolgen. Außerdem muss die Zertifizierung durch unabhängige Dritte stattfinden.

Informationen über die Eigentumsverhältnisse und die Entscheidungsgremien des Umweltzeichensystems müssen transparent, kostenlos zugänglich, leicht verständlich und ausreichend detailliert sein. Auch die Informationen über die Ziele des Umweltzeichensystems und die Anforderungen und Verfahren zur Überwachung der Einhaltung des Umweltzeichensystems transparent, kostenlos zugänglich, leicht verständlich und ausreichend detailliert sein. Anforderungen an das Umweltkennzeichnungssystem müsse von Sachverständigen entwickelt und einer heterogenen Gruppe von Interessengruppen zur Konsultation vorgelegt worden sein.

Weitere Fragen zur EU Green Claims Verordnung haben wir hier zusammengefasst.

Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen

Das kann richtig teuer werden: Wer gegen die Richtlinie verstößt, muss tief in die Tasche greifen. Die Höhe der Geldbußen richten sich nach der Schwere des Verstoßes. So werden beispielsweise Wiederholungstäter schärfer bestraft. In der Richtlinie heißt es: „Der Höchstbetrag sollte abschreckend sein und mindestens vier Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Händlers betragen.“ Zudem können die Einnahmen, die aus dem Geschäft mit den betreffenden Produkten erzielt wurden, eingezogen werden. Darüber hinaus droht der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und vom Zugang zu öffentlichen Mitteln, einschließlich Ausschreibungen, Zuschüssen und Konzessionen.

Mitgliedstaaten müssen Richtlinie in nationales Recht umsetzen

Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten nun zwei Jahre Zeit, um diese in geltendes Recht umzusetzen und anzuwenden. Das klingt viel, ist es aber nicht. Denn bereits heute sind Greenwashing-Klagen an der Tagesordnung. Die neue Richtlinie wird die unlauteren Praktiken noch mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Wir raten Unternehmen deshalb, bereits jetzt auf die neuen Standards umzustellen. In den in Deutschland zuständigen Ministerien, BMUV und BMEL, ist man gewillt, sich jetzt schon aufzustellen und direkt nach der Veröffentlichung zu handeln, indem man die Richtlinie so schnell wie möglich in nationales Recht umsetzt. Da wird nur wenig Zeit bleiben.

Umwelthilfe verklagt namhafte Konzerne und Marken

Im vergangenen Jahr hatte die Deutsche Umwelthilfe für Aufsehen gesorgt, als sie mehrere Unternehmen wegen vermeintlicher Öko-Lügen verklagte. Unter anderem eine Drogeriekette, deren Spülmittel der Hausmarke „Pro Climate“ als „umweltneutrales Produkt“ gelabelt wurde. Unter den beklagten fand sich auch ein Reise-Anbieter, der „klimafaire Flugtickets“ anbot. Der Laden ist mittlerweile geschlossen.

Welche Umweltzeichen sind künftig noch gültig? Auf welche Siegel kann man sich verlassen? Diese und weitere Fragen zu der neuen Richtlinie beantworten flustix hier.

Über den Autor

Malte Biss (49) ist Gründer und Geschäftsführer der flustix-Initiative. Die 2017 gegründete Organisation mit Sitz in Berlin bietet sechs unterschiedliche flustix-Siegel: Die flustix plastikfrei-Siegel zeichnen in Zusammenarbeit mit anerkannten Prüflaboren und DIN CERTCO das kumulative Produkt sowie jeweils die Verpackung oder das Produkt aus, wie auch Produktinhalte ohne Mikroplastik. Das flustix RECYCLED-Siegel zertifiziert Rezyklate, Halbzeuge und Produkte mit Rezyklat-Anteil aus u.a. Plastik, Metall & Glas. flustix RECYCLABLE – DIN plus kommuniziert unabhängig die Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Die flustix-Siegel dienen als Orientierungshilfe für Verbraucher*innen und unterstützen Unternehmen in einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensstrategie.