Nach BMUV macht die Modebranche ein Viertel des gesamten Online-Handels aus. Mal davon abgesehen, dass die Produktion neuer Kleidungsstücke sowieso einer der größten Klimakiller ist, werden die produzierten Teile dann auch noch einzeln verpackt in Plastiktüten um die ganze Welt geschickt. Diese Plastiktüten – oder auch Polybags – sind wenig nachhaltig, aufgrund ihrer Funktionsweisen allerdings aber auch notwendig. Da der Ruf nach Nachhaltigkeit in allen Bereichen und Senkung des Plastikverbrauchs immer lauter wird, gibt es auch hier mittlerweile zahlreiche vermeintlich nachhaltige Alternativen. Wir haben diese für euch im Fashion e-Commerce einmal zusammengestellt und geschaut, inwieweit diese Alternativen wirklich so viel nachhaltiger sind oder ob es eher ums Greenwashing geht.

Was sind Polybags und wofür genau werden sie im Fashion e-Commerce genutzt?

Die meisten werden sie kennen. Polybags sind einfache, transparente Plastiktüten bzw. Verpackungen. Sie bestehen aus Plastik oder Kunststoff, also Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) – Daher auch der Name Polybag.

Sie werden zum Transport von Einkäufen oder zur Aufbewahrung von Müll genutzt, aber eben auch zum Schutz von Produkten im Versand. Während in Supermärkten mittlerweile auf Plastiktüten verzichtet wird und werden kann, kommt im Online Handel kaum ein Teil ohne Plastiktüte an. Insbesondere Kleidung wird in diesen durchsichtigen Plastiktütchen verschickt. Im Fashion e-Commerce spielen sie daher eine sehr große Rolle.

Warum sind Polybags so wichtig für den Fashion e-Commerce?

Im Online Handel generell, aber noch mehr im Fashion e-Commerce spielen Polybags eine wichtige Rolle. Sie vereinen zahlreiche wichtige Funktionen und sind zusätzlich günstig.

Folgende Funktionen sind für den Versand von Kleidung und einen reibungslosen Verlauf der Lieferketten besonders wichtig:

Schutzfunktion:

Die Produkte werden einzeln in Tüten verpackt und sind somit optimal geschützt. Insbesondere bei langen Lieferketten, von Asien nach Europa beispielsweise ist das ungemein wichtig. Durch die Verpackung in Plastik sind sie nicht nur vor Staub und Dreck geschützt sondern auch vor Feuchtigkeit, was bei Textilien enorm wichtig ist.

Transportfunktion:

Analog dazu die Transportfunktion. Polybags sind leicht und nehmen wenig Platz ein. Das ist besonders wichtig, da Transport nach Gewicht und Masse gezahlt wird. Wenn Verpackungen zusätzlich viel Raum einnehmen oder schwer wiegen, bedeutet das zusätzliche Kosten und weniger Platz für die eigentlichen Produkte.

Auch wichtig für den Transport ist dass die Polybags reißfest sind. Damit werden die Produkte nicht beschädigt und die Prozesse entlang der Lieferketten nicht durch fehlerhafte und zerstörte Verpackungen gestört.

Transparenz und Informationsfunktion:

Polybags die im Fashion e-Commerce zum Versand von Kleidung genutzt werden sind durchsichtig. Das ist unglaublich praktisch, da immer zu sehen ist, welches Produkt sind in der Tüte befindet. Zusätzlich sind Etiketten oder so genannte Hangtags an den Kleidungsstücken befestigt, die ganz einfach durch die Tüte gescannt werden können.

Die Beschaffenheit und Eigenschaften die Polybags mitbringen erfüllen so alles, was auf den stark automatisierten Prozessen in den Lieferketten benötigt wird.

Was ist das Problem an der Nutzung von Polybags?

Natürlich gibt es trotzdem Probleme bei der Nutzung von Polybags im Fashion e-Commerce.

Besonders kritisch ist das sehr hohe Abfallaufkommen. Jedes Teil wird einzeln verpackt und häufig dann erneut mit anderen einzeln verpackten Teilen. Das sorgt für sehr viel Abfall. Im normalen Fashion Einzelhandel fällt dieser Verpackungsmüll an einem Ort an – beim Auspacken in den Filialen. Hier könnte man die Plastik immerhin gut an einem Ort sammeln und einfacher recyceln. Beim Versand online ist das nicht so einfach möglich und damit wird auch das Recycling der Tüten schwieriger. Diese können nicht gesondert gesammelt und aufbereitet werden. Weiterhin entstehen beim Recycling durch Aufkleber, Aufdrucke, Klammer oder ähnlichem Verunreinigungen.

Warum werden sie dennoch genutzt?

Der ökologische Impact der Polybags ist geringer als der eines unbrauchbar gewordenen Produktes. Aus diesem Grund ist es sinnvoller, Polybag einzusetzen, anstatt in Kauf zu nehmen, dass ein Teil der Produkte unbrauchbar wird noch bevor sie den Kunden erreichen (Verbrauch von Wasser, Ressourcen etc.) (Quelle)

Die Nutzung von Polybags steht damit für zahlreiche Unternehmen im Fashion e-Commerce außer Frage. Mittlerweile gibt es allerdings vermeintlich nachhaltige Alternativen zur “Standard Polybag aus Kunststoff”.

Welche Arten von Polybags gibt es und wie nachhaltig sind sie wirklich?

“Standard” Polybag aus herkömmlichen Kunststoff

Diese bestehen aus Low Density Polyethylen (LDPE) – oder selten auch aus High Density Polyethylen (HDPE). Polyethylen wird aus Petroleum bzw. Erdgas gewonnen. Dieses wird raffiniert und gespalten und schließlich in Pellets gepresst. Diese werden zu Kunststoffprodukten verarbeitet.

Pro:

  • erfüllt wie beschrieben alle wichtigen Funktionen für den Fashion e-Commerce
  • Kostengünstig – Eine Bag kostet üblicherweise nicht mehr als 0,10€.

Kontra:

  • Nachhaltigkeit in der Herstellung.
  • Probleme beim Recycling
  • CO2 Austoß bei der Produktion
  • hoher Ressourcenverbrauch – insbesondere fossiler Rohstoffe

Polybags aus Rezyklat (recycelte Polybags)

Bestehen wie der Name schon sagt aus Recycling Material. Also alte Kunststoffabfälle die bspw. über den gelben Sack gesammelt werden, werden getrennt und in einem Wiederaufbereitungsverfahren zu Granulat (Rezyklat) verarbeitet, welches dann zur Herstellung neuer Bags genutzt werden kann.

Pro:

  • Entnimmt Kunststoff aus dem Abfallstrom indem dieser recycelt wird
  • reduziert die Nachfrage nach fossilen Rohstoffen und senkt die CO2 Belastung

Kontra:

  • benötigt als Basis Kunststoffe die recycelt werden müssen bzw. dafür produziert, da der Recycling Prozess nicht unendlich wiederholt werden kann
  • der Preis ist höher als von neuem Kunststoff
  • Durch Beimischungen und Verunreinigungen von Aufklebern und Bedruckung ist die Qualität und Reinheit des Rezyklats beeinträchtigt.

Quelle: pexels.com
Wiederverwendbare Polybags

Wie der Name schon sagt, handelt es sich um klassische Polybags die mehrfach verwendet werden sollen, ohne dass ihre Funktionen eingeschränkt oder beeinträchtigt werden, durch die erneute Nutzung.

Pro:

  • Reduzierung des Plastikaufkommens
  • damit Reduzierung der Kunststoffabfälle in der Umwelt

Kontra:

  • müssen wieder verschließbar und robust sein, was bedeutet, dass sie aus dickerem Material hergestellt werden müssen, was bedeutet, dass weniger Produkte verpackt werden können und diese mehr Gewicht haben
  • die Bags müssen zurück zur Produktionsstätte kommen um erneut genutzt werden zu können, das ist eine hohe logistische Herausforderung und auch nicht optimal für die Umweltbilanz

Polybags aus Bio-Kunststoffen

Bisher machen Biorohstoffe noch einen geringen Anteil an der globalen Kunststoffproduktion mit 1,3% aus. Biokunststoffe sind biologisch abbaubar, biobasiert oder beides.

Biobasiert heißt in dem Fall, dass das Material oder Produkt (zumindest teilweise) aus Biomasse – also Pflanzen oder Tieren – erzeugt wurde. Eingesetzt werden hier bspw, Mais, Zuckerroh oder Cellulose.

Biologisch abbaubar  oder auch kompostierbar bedeutet, dass das Material mittels eines chemischen Prozesses mithilfe von Mikroorganismen in natürliche Substanzen wie bspw. Wasser, Kohlendioxid und Kompost umgewandelt werden kann. Diese Mikroorganismen sollten in der Umwelt vorhanden sein und der Prozess ohne künstliche Additive stattfinden können. Die Umweltbedingungen – Ort, Temperatur-, Material und Anwendungen sind hierfür auch ausschlaggebend. Häufig bestehen diese aus PLA Kunststoffen, also Polyactid Acid. Problematisch daran ist, dass die Umweltbedingungen, damit diese biologisch abgebaut werden können, in der Realität nur sehr selten vorkommen. Sie müssen damit im Restmüll entsorgt werden, nicht im Biomüll und können große Schäden in der Natur anrichten.

Jegliche Kunststoffe können demnach in vier Gruppen eingeteilt werden, mit je zwei Charakteristika:

a) Rohstoff Basis – nachwachsend/biologisch oder fossil

b) Abbaubarkeit – biologisch abbaubar oder nicht biologisch abbaubar

Eigene Darstellung nach Quelle

Herkömmliche Polybags aus Polyethylen oder auch Rezyklat sind dementsprechend nicht biologisch abbaubar und aus fossilen Rohstoffen.

Generell gelten damit für Biokunststoffe folgende Vor- und Nachteile:

Pro:

  • Eigenschaften der meisten dieser Polybags sind mit denen von konventionellen vergleichbar

Kontra:

  • Kosten. Der Preis ist aktuell vergleichsweise hoch
  • Können aktuell meist nicht recycelt werden, daher in der Abfallhierarchie unter den konventionellen Bags angeordnet
  • Störfaktor im Recyclingprozess konventioneller Kunststoffe
  • Unwissenheit der Kunden über Zusammensetzung und Nutzung können zu steigender Kunststoffnutzung führen
  • “falsches gutes Gefühl” weil Bioplastik genutzt wird – Vermeidung von Plastik insgesamt wird als weniger dringend erachtet

Zu ergänzen ist allerdings für Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen folgendes:

Chancen:

  • Sie reduzieren den Gesamtbedarf an fossilen Rohstoffen
  • Reduzieren den CO2 Ausstoß

Risiken:

  • Anbauflächenkonkurrenz – Nutzflächen für den Anbau von diesen Materialien werden gebraucht, die dann nicht zum Nahrungsmittelanbau genutzt werden können
  • häufig werden Bestandteile aus fossilen Rohstoffen beigemischt

Und auch für biologisch abbaubare Kunststoffe, entstehen entsprechende Chancen und Risiken.

Chancen:

  • Einbringung von Kunststoff in die Umwelt wird reduziert

Risiken:

  • Missverständnisse über die biologische Abbaubarkeit
  • Verwechslung mit anderen Kunststoffarten, dadurch könnten andere konventionelle Kunststoffe vermehrt in die Umwelt eingebracht werden
  • Fehlende Infrastruktur – Stellen aktuell eher Störfaktoren dar

Polybags aus Recyclingpapier

Papier wird häufig als ökologischer als Plastik gesehen, ist es aber nicht zwingend, da auch seine Herstellung die Umwelt stark belastet. Es werden nicht nur große Mengen Holz, Wasser und Energie benötigt, sondern auch schädliche Chemikalien. Damit schneidet es auf jeden Fall schlechter ab also Bioplastik oder recyceltes Plastik. Wenn man recyceltes Papier verwenden würde, wäre der umweltbelastende Einfluss erheblich gesenkt und würde rein ökologisch die beste Lösung darstellen.

Pro:

  • Recyclingpapier ist kompostierbar
  • Recyclingstrukturen gibt es in den meisten Ländern
  • richtet in der Natur keinen Schaden an, da es biologisch abbaubar ist

Kontra:

  • logistische Anforderung und Funktionen können teilweise nicht erfüllt werden, aufgrund von fehlender Transparenz, Robustfähigkeit und Schutz vor Feuchtigkeit nicht gegeben ist
  • Marktplätze oder auch Fullfillment-Dienstleister akzeptieren sie dadurch häufig nicht

Quelle: pexels.com

Welche Entwicklungen und Möglichkeiten gibt es für den Fashion e-Commerce? 

Fakt ist, dass der Kunststoffverbrauch im Textil Einzelhandel und besonders auch Fashion e-Commerce gesenkt werden muss.

Auch bei den Verbraucher:innen geht der Trend zu nachhaltigeren Verpackungen. Eine Mehrheit würde sogar ein Mehrwegsystem bei Verpackungen generell gutheißen und Pfand für wieder verwendbare Transportboxen bezahlen. 

 

Doch was können Unternehmen im Fashion e-Commerce wirklich tun? 

Hier ein paar Gedankenansätze und Ideen, die Euch weiterhelfen können, auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.

Recyclingfähigkeit von Standard LDPE Polybags erhöhen:

Damit die genutzten Standard Polybags im Nachhinein gut recycelt werden können, gibt es einige Dinge zu beachten. Papier, Sticker, Kleber und Beschriftung macht dies zum Beispiel komplizierter. Umso “reiner” das Material desto einfacher.

Materialalternativen recherchieren und anpassen:

Wissen ist Macht. Woraus bestehen die Bags im Unternehmen? Gibt es Möglichkeiten andere Materialien zu verwenden? Sich diese Fragen zu stellen, kann häufig schon helfen, Veränderungen anzustoßen und zu sehen, dass diese gar nicht so kompliziert und komplex sind. Mittlerweile gibt es zahlreiche Angebote verschiedener Polybag Alternative.

Zertifikate für Kompostierbarkeit:

Diese zahlreichen Angebote von Alternativen können natürlich auch verwirrend wirken. Was bedeutet denn “bio-based” im Vergleich zu “Bioplastic” oder “compostable”? Eine Übersicht der zertifizierten Begriffe findet ihr deswegen hier (Seite 26) zusammengestellt.

Abfallmengen reduzieren:

Am einfachsten könnte sein, Volumen und Anzahl der eingesetzten Polybags zu verringern. Eine Möglichkeit wäre, mehr Kleidung in größere Bags zu verpacken über die langen Transportwege. Und/oder Kleidung kleiner zu falten, damit weniger Material benötigt wird.

Außer Frage ist aber für jede Art von Polybags, dass diese als Abfall in deinen Zielländern angemeldet werden müssen – und übrigens nicht nur die Verpackungen an sich, in vielen Ländern der EU gibt es mittlerweile auch Richtlinien zur Textil EPR.

Welche das sind und in welchen Ländern du deine Abfälle wie anmelden musst – Das können wir dir erklären!